The WanderingSoul's profile

Vom Meer in mir (German Writing)

Vom Meer in mir (Spurensuche)
[German Writing]
Ist es nicht so, dass man als der Mensch, der man tatsächlich war, ohnehin von niemandem wirklich erkannt und gesehen wurde? Und wie könnte und sollte in einem anderen schon ein Verlust entstehen, wenn man ein Leben lang verkannt wurde. Einzig und allein würde man doch als etwas vermisst werden, das man in Wahrheit niemals gewesen war.
[2021/05/12]
These years ... they come and go (Lost At Sea)
„Wieso haben Sie das getan?“, fragt sie mich. „Ich glaube, ich habe nach etwas gesucht". "Wonach denn?", "Nach meiner Seele“, entgegne ich. „Verstehe“, sagt sie, schweigt und ich denke mir „Nein, gar nichts verstehen Sie“, da ergänzt sie, gerade so als hätte sie meinen Gedanken erraten, „Die werden Sie so  aber nicht finden können“. „Was macht Sie da so sicher?" , frage ich lächelnd und schließe meine Augen.


Hin und her werfen sie mich, die Stimmungen und Gefühle. Längst scheinen sie mir wie Strömungen auf offener See zu sein, die mich heimsuchen, wieder und wieder, ganz ohne, dass ich ihnen etwas entgegenzusetzen hätte. Nur woher genau sie kommen, und wohin sie gehen, weiß ich nicht. Nur warten kann ich. Warten, bis das Meer wieder von mir ablässt, mich ausspuckt und an Land spült. Doch bis dahin bleibt mir nicht als die Frage, wie ich nur hierhergekommen bin, nichts als Wasser um mich herum.

In lichten Momenten, aus der Distanz heraus, so fern, wie man sich selbst eben sein kann, muss ich mir eingestehen, dass das Meer, das ich um mich herum zu sehen und spüren glaube, ebenso ein Teil von mir ist, wie ich selbst. Genau genommen ist es nicht einmal nur ein Teil. Ich bin das, alles. Das eine, wie das andere. Aber eine Grenze zu ziehen vermag ich längst nicht mehr, entzieht es sich, Mensch und Seele wie ich bin, zwar nicht meiner Wahrnehmung, worüber ich vielleicht sogar glücklich wäre, doch das Ausmaß und die Beschaffenheit meinem Vorstellungsvermögen. Wie sollte ich auch beides zugleich sein können, ich, der ich hier sitze, und dabei hinaus, aber damit ebenso in mich hineinsehe. Hinein in das Meer, ein Seelenmeer, das mir seltsam vertraut und doch gleichermaßen fremd wie undurchdringlich scheint. Und weil ich es nicht verstehe, mich selbst für ein Paradoxon halte, das auch kein anderer zu begreifen vermag, rede ich mir weiter ein, dass es Stürme wären, die mich heimsuchen und an mir zerren. Stürme, die an manchen Tagen und Wochen meinen Himmel verdunkeln, mich mal hier und mal dorthin tragen. Doch vielleicht ist insgeheim längst bekannt, dass ich selbst es bin, wegen dem ich unglücklich bin. Dass ich es auch bin, der diesen Teil von mir als etwas Äußeres wahrnehmen will, und damit fern meiner eigenen Verantwortung. Ich treibe im Kreis, immer weiter und weiter, und kann doch kein Inneres finden. Meine Hände strecke ich aus, doch berühren kann ich weder einen anderen, noch mich selbst. Nicht einmal sehen kann ich mich, in all dem Wasser. Doch eigentlich, irgendwo ganz da hinten, fern am Horizont, müsste es auch wieder zu mir selbst werden. Vielleicht müsste ich nicht aus mir hinaus, sondern in mich hineinsehen können. Gleich dem Blick in das Auge eines Sturms, vor dem wir uns einerseits fürchten mögen und der uns doch unweigerlich in seinen Bann zu ziehen weiß. Ihm müsste ich erliegen, damit ich die Distanz, die ich spüre, endlich hinter mir lassen könnte. Unendliche Distanz, einzig und allein von und zu mir selbst.

Und weil ich es leid bin, mein ewiges Getriebensein, will ich auf Spurensuche gehen. Schließlich muss einer, der zu allem bereit, zu allem wild entschlossen ist, doch erst recht auch zu allem vordringen und finden können, solange er nur gut genug danach suchen wird. Immer weiter hinein, endlich einmal bis hin zu den Ursachen vordringen, nicht länger nur den immergleichen, nichtssagenden Symptomen. Ganz nach unten, hinab auf den Grund, bis gar nichts anderes mehr möglich ist, als der Wahrheit zu begegnen. Vielleicht muss ich sie ausgraben, meine Seele, sie aus mir herausschneiden und schonungslos freilegen. Auf dass, wenn schon nicht von innen, wenigstens von außen ein wenig Licht auf sie fallen würde. Licht, das den Schatten von ihr weichen ließe. Dieser Schatten, dieses Gefühl, das in Wahrheit ich selbst bin. Und wenn sie dann vor mir läge, meine Seele, wäre auch ich selbst nicht mehr. Denn ohne Einsamkeit, was bliebe da schon von mir.

Ich setze Segel, will nach dem Ende des Meeres suchen. Das Ende des Meeres, das ich dort, wo eigentlich immer schon alles gewesen war, zu finden glaube. Nicht vor, sondern in mir selbst.

2021/08/04

(Musik: Escape The Day - Days)
Wandering
Lonely Days At The Sea
These Lights Will Never Be A Guide
Vom Meer in mir (German Writing)
Published:

Vom Meer in mir (German Writing)

Published: